Recht auf Reparatur

Recht auf Reparatur in Europa: Das waren 2020 die größten Erfolge

Rückblickend ist es schwer über all die schlechten Ereignisse des letzten Jahres hinwegzusehen, aber es gab 2020 auch viele gute Momente. Dadurch, dass Menschen mehr Zeit in den eigenen vier Wänden verbracht haben und nicht immer alles auf Knopfdruck verfügbar war, haben viele angefangen ihre Geräte daheim selbst zu reparieren. Das hat etliche Geldbeutel geschont, Elektroschrott vermieden und Zeit und Nerven im Homeoffice oder beim Homeschooling gespart.

Zwar sind Dinge im letzten Jahr nicht unbedingt besser reparierbar geworden. Dafür nahmen immer mehr politische Akteure — genau wie Bürgerinnen und Bürger — Reparatur nicht nur als ein wichtiges Verbraucherrecht wahr, sondern auch als eine Notwendigkeit für den nachhaltigen und umweltfreundlichen Umgang mit Ressourcen. Wir haben uns die vielversprechendsten News und Entwicklungen angesehen — und was sie vielleicht für die Zukunft bedeuten.

März 2020: Die Europäische Kommission veröffentlicht den Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft.

Worum geht’s? Dem europäischen Grünen Deal nach will Europa bis 2050 klimaneutral sein. Der Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft (CEAP) zeigt auf, wie die Kommission dieses Ziel erreichen will. Er umfasst eine ganze Reihe von Bereichen, zum Beispiel Textilindustrie, Bau- und Verpackungswesen. Besonders ambitioniert aber sind die Pläne für die Elektronikindustrie.

Um Elektroschrott zu vermeiden, sollten Geräte auf Langlebigkeit ausgelegt sein. Wenn sie das nicht sind, sollten sie nicht verkauft werden. Langlebige Produkte könnte man zum Beispiel mit einer Angabe zu ihrer Lebensdauer versehen, mit Reparaturanleitungen liefern oder EU-weit ihre Reparierbarkeit kennzeichnen. Wenn Langlebigkeit und Reparierbarkeit künftig den Wettbewerb bestimmen, haben Konsumentinnen und Konsumenten automatisch bessere Chancen nachhaltig einzukaufen.

Bis es so weit ist, müssen noch viele Details ausgearbeitet werden. Aber auch Wandel in kleinen, effektiven Schritten ist guter Wandel. Ein weiteres Hauptanliegen des CEAP ist zum Beispiel die Entwicklung von Ökodesign-Standards für Smartphones, Tablets und Laptops. 2019 hat die EU solche Regelungen für Waschmaschinen, Spülmaschinen, Kühlschränke und Fernseher verabschiedet – und will jetzt den nächsten logischen Schritt gehen, der ohne den vorherigen vielleicht nie zustande gekommen wäre.

Activists demanding the Right to Repair in Brussels
Eine Petition, Guerilla-Aktionen und ein Brief an die europäische Kommission: Die Bewegung für das Recht auf Reparatur war 2020 laut – und wurde gehört!

Wird der CEAP das Recht auf Reparatur garantieren? Der Aktionsplan spricht ganz explizit von einem ‘Recht auf Reparatur’, inklusive der Verfügbarkeit von Ersatzteilen und dem Zugang zu Reparatur. Und auch ein Recht auf das Updaten von obsoleter Software wird diskutiert. Solche Maßnahmen könnte man – im Gegensatz zu Ökodesign-Standards, die immer nur für bestimmte Produktkategorien verabschiedet werden – sehr schnell auf sämtliche Produkte anwenden.

November 2020: Das Europäische Parlament stimmt für das Recht auf Reparatur – und wird damit zum Sprachrohr europäischer Bürgerinnen und Bürger.

Auch diese Abstimmung beweist, dass es der EU mit dem Recht auf Reparatur ernst ist – und erhöht den Handlungsdruck auf die Europäische Kommission (wofür wiederum der Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft eine gute Basis ist).

Im nächsten Schritt muss der Europäische Rat den Aktionsplan anerkennen. Soweit wir wissen, befürwortet der Rat langlebigere Geräte, Reparatur und den Zugang zu Ersatzteilen. Er hat die Kommission bereits darum gebeten einen Reparierbarkeits-Index für Elektronik vorzulegen. Das bedeutet, dass der Aktionsplan ziemlich gute Chancen hat den Weg für ein Recht auf Reparatur in Europa freizumachen.

Wie wird Reparatur in Europa auf nationaler Ebene gefördert?

Februar 2020: Frankreich stimmt für ein Gesetz gegen Verschwendung und für eine Kreislaufwirtschaft.

Seit Januar ist Frankreich das erste Land mit einer offiziellen Kennzeichnung der Reparierbarkeit von Produkten, die Teil eines Anti-Wegwerf-Gesetzes ist. Wir freuen uns sehr, dass auch unsere Arbeit und Expertise einen Beitrag dazu leisten konnte. (Für irgendetwas muss es schließlich gut sein, dass wir seit 13 Jahren regelmäßig Verbraucherelektronik aufschrauben.)

Die Kennzeichnung ist künftig verpflichtend für alle Smartphones, Laptops, Fernseher, Waschmaschinen und Rasenmäher, die in Frankreich verkauft werden. Teil des Gesetzes sind auch die Förderung von gebrauchten Ersatzteilen, Informationen darüber, wie lange ein Gerät Software-Updates erhält, und ein Fördertopf für Reparaturkosten.

Frankreichs Pionierarbeit hilft, europaweite Kennzeichnungen zu entwickeln, die EU zum Handeln zu bewegen und Geräte wie Smartphones einfacher zu reparieren.

Die Bandbreite an Reparatur-Optionen wächst

2020 hat Frankreich die Reparatur von Fahrrädern subventioniert, um klimafreundliche Mobilität zu fördern. Wien hat seinen Einwohnerinnen und Einwohnern bis zu 100 Euro gezahlt, wenn sie ihre Geräte lokal reparieren ließen. Und Baden-Württemberg hat Fördergelder für Repair Cafés angekündigt.

Bis das Recht auf Reparatur in ganz Europa verankert ist, ist es noch ein weiter Weg. Doch schon jetzt hat die Idee Wurzeln geschlagen. Mehrere Institutionen sehen sich darin bestärkt sie Wirklichkeit werden zu lassen. Und deshalb ist unser Vorsatz für 2021 der gleiche wie letztes Jahr: Wir wollen weiterhin für das Recht auf Reparatur laut sein und Menschen auf der ganzen Welt beim Reparieren helfen. Du auch? Dann schau auf repair.eu vorbei oder werde Teil unserer Community!